Limburg als Marktplatz
von Monika Jung
Zu jeder mittelalterlichen Stadt gehörte ein Markt, auf dem als Wochen- oder Jahrmarkt durch Kauf oder Tausch Handel betrieben wurde. Einen Markt abzuhalten war königliches Recht, d.h. er stand unter dem Königsfrieden, dessen Schutz und Recht. Für die Stadt Limburg ist eine förmliche Marktrechtsverleihung nicht bekannt.
Da jedoch Emich von Leiningen (Urk. 1155-1188), der die Limburger Vogtei über das Stift innehatte, 1180 in Limburg Münzen prägen ließ und 1195 bereits weiträumig mit Limburger Maß gerechnet wurde, ist von der Existenz eines Marktes in Limburg auszugehen, zumal die Stadt mit ihrer verkehrsgünstigen Lage eine Ansiedlung von Handwerkern und Kaufleuten begünstigte. Bereits 1227 wird von einer Holzbrücke über die Lahn ein herrschaftlicher Zoll nachgewiesen.
Nach der zwischen den Isenburger Brüdern erfolgten Erbteilung und nachdem Gerlach I. das Schloss in Limburg bezogen hatte, wurde 1279 vertraglich festgelegt, daß dem Stadtherrn das Befestigungs- und Öffnungsrecht von Burg und Stadt zustehe und er die Einkünfte aus Zöllen, Marktgebühren und Bede beziehen solle.
1289 wurde Limburg von einer großen Katastrophe heimgesucht. Am Tage nach St. Gangolf (14. Mai) brannte die Stadt fast vollständig nieder, so daß man vom Fischmarkt bis zum Roßmarkt einen freien Blick gehabt haben soll.
Gerlach II. (1312-1355) ließ 1315 neben der bisherigen alten Holzbrücke eine neue steinerne Brücke bauen und die Stadtmauer in diesem Bereich bis an die Lahn erweitern.
1345 gestattete der Erzbischof Balduin von Trier dem Herrn von Limburg, Gerlach II, u.a. die Hälfte der Marktzinsen, des alten Zolles, aller Schirnen und die Korngülte einzulösen, die beim Erzbischof für 4324 fl verpfändet waren.
Auch am Bonifatiustag (5. Juni) des Jahres 1342 brannte die Stadt – wie es hieß – durch einen Meteoriteneinschlag (herbrant) im Haus des Schöffen Otto Mulich erneut halb ab, so dass man vom Fischmarkt aus bis hin zum Hammer- und Diezer Tor sehen konnte. Der Wiederaufbau ging wohl schnell von statten, da schon im darauffolgenden Jahr mit dem Bau des neuen äußeren Befestigungsringes, der sog. Schiede, begonnen wurde.
1346 wurde mit den Wetterauer Hauptstädten ein Wehr- und Geleitbündnis abgeschlossen, um Messen und große Jahrmärkte sicher zu besuchen. Einen ähnlichen Vertrag handelte die Stadt 1357 auch mit den Grafen von Diez und den Grafen von Nassau, gegen Zoll- oder Wegegebühren aus, doch konnte dies nicht den Überfall auf den Limburger Tuchtransport 1366 beim Kloster Thron verhindern, bei dem die Limburger Wollweber fast eine halbe Jahresproduktion verloren. Die Markt- und Messetermine, die man rege wahrnahm, wurden gegenseitig abgestimmt. Nachdem die Limburger Herrschaft die eigene Münzprägung aufgegeben hatte, bezog der Magistrat bis weit in das 15. Jahrhundert hinein von Frankfurt die nötigen Silbermünzen gegen Gold, um die Verbreitung unterwertiger, schlechter Münzsorten zu verhindern.
1357 verlieh Kaiser Karl IV. dem Gerlach von Limburg einen Brücken-Zoll von jedem Frachtwagen, der mit Korn zum Markt nach Limburg fuhr, 1 alten Turnos und von jedem Karren einen ½ alten Turnos. Dabei galt es den Brücken-Zoll getrennt zu betrachten, da mit Zoll einerseits die Abgaben bezeichnet wurden die sich Stift und Herrschaft teilten, und andererseits der Zoll der als Maut oder Brückenbenutzungsgebühr an die Stadt ging.
Das Georgen-Stift erhielt den Marktzins von den Fleischern, Bäckern, Schuhmachern und Gerbern. Auch verlieh das Stift im 14.Jh. noch den alten Zoll in der Stadt. Ferner verdankt die Stadt dem Stift die Entstehung des Georgenmarkts, einen Jahrmarkt am 23. April, dem Tag des Stiftspatrons. Daneben wurden noch weitere vier Jahrmärkte abgehalten: der Halbfasten-Markt; der Barfüßermarkt (24.August); der Michaelis-Markt (29. September) sowie der Kathrinen-Markt (25. November). Diese Markttermine waren sicher mit den Terminen der Friedberger und Frankfurter Messen abgestimmt, um durchreisenden Kaufleuten Gelegenheit zu geben, auch in Limburg ihre Waren anzubieten.
Ein weiterer Hinweis auf Markt und Handel in der Stadt ist die Stadtwaage. In einer Urkunde des St. Georgenstiftes werden 1468 Einnahmen der Stadtwaage sowie die beiden Waagemeister Niclas Emmel und Herman Weyßplagke genannt.
Im Limburger Stadtbuch von 1548, geschrieben vom damaligen Stadtschreiber Georg Rauscher: „Ordenung der Oberkeit“, finden sich umfangreiche Regelungen über das Marktwesen, die Kaufmannschaft, den Weinschank und die Handwerke der Metzger, Tuchmacher, Bäcker und Krämer. Die in Limburg ansässigen Gewerbezweige bildeten bereits im 16. Jahrhundert die wirtschaftliche Grundlage der Stadt. Die Aufsicht führte der Marktmeister, er hatte alle Gewichte und Maße zu überprüfen, ob sie das Limburger Eichzeichen trugen. Ebenso überwachte er die Regeln des Marktfähnleins. Solange das Fähnlein aufgesteckt war, durfte kein Fremder kaufen, sobald aber das Fähnlein eingeholt war, konnten die Fremden ebenfalls kaufen. Dadurch erhielten die Limburger Bürger ein Vorkaufsrecht.
Limburg verlor im 30 jährigen Krieg, angesichts der Verödung der Nachbarschaft, seine einstmals bedeutende Stellung als Handelsplatz. Laut den Stadtrechnungen wurde nur im Jahre 1619 und 1624 der Georgen Markt als einziger Markttag abgehalten. 1630 wird für lange Zeit letztmalig von der Stadt das Zunftgeld für Krämer, Bäcker, Wollweber, Metzger, Löher, Schuhmacher, Schneider, Sattler und Leinweber verzeichnet. Erst das Jahr 1641 brachte eine ungewöhnlich reiche Ernte, die auch wieder Marktleben zuließ. In den Stadtrechnungen trug Bürgermeister Johann Mehlbaum die Zehrungskosten für die Markttage ein. Er nennt dabei die Markttage an St. Michael (29.9.), an Catharina sowie den Halbfasten (3. Sonntag vor Ostern) und den Barfüsser (25.5.)- Markt und beschreibt dass der St. Georgen Markttag (1.5.) durch das Kriegsvolk verhindert wurde und darum ein zweiter Markttag abgehalten werden mußte.
1686 findet sich wieder ein Hinweis auf die Märkte in Limburg. Die Limburger Bürger beschwerten sich beim Amtmann, dass sie im Amt Montabaur nicht den Markt aufsuchen dürften. Immerhin seien sie doch eines Herren Untertanen, zumal ja auch die Montabaurer, insbesondere die Bäcker, die Limburger Wochenmärkte besuchten und hier ihre Frucht kauften.
Im Jahre 1707 klagte die Bürgerschaft vor Magistrat und Amt, dass bei den samstäglichen Wochenmarkttagen Fremde das aufgesteckte Marktfähnlein an der Halle auf dem Kornmarkt nicht beachteten und damit das Vorkaufsrecht der Limburger umgingen. Die Früchte würden unter dem Vorwand, sie für den Hausgebrauch zu benötigen, in größeren Mengen aufgekauft, um sie später mit Wucherpreisen zu verkaufen. Der arme Bürgersmann bekäme kaum noch einen ½ mltr Korn für sein Geld. Der Magistrat verbot daraufhin öffentlich per Trommelschlag auf das Schärfste bei 5 gfl oder Turmstrafe, dass niemand, unter welchem Vorwand auch immer, Käufe tätigen dürfe, so lange das Fähnlein wehe. Erst wenn das Fähnlein weg sei, solle jeder, Fremder oder Einheimischer, kaufen können so gut er könne.
Im Jahre 1714 beklagten sich die Dietkircher Bürger, dass sie gezwungen seien, ihr Getreide auf dem jeden Donnerstag stattfindenden Limburger Wochenmarkt zu verkaufen.
1771 erließ der Kurfürst nach wiederholten Klagen eine Verordnung bezüglich des Salzverkaufes. Demnach war es unter Androhung der Konfiskation verboten, Lothringisches Salz mit Holländischem Salz zu mischen, um es dann als reines Holländisches Salz zu verkaufen. Holländisches Salz dürfe nur noch aus Säcken verkauft werden. Lothringisches Salz dürfe nur noch aus Fässern mit der Aufschrift „LS“ verkauft werden.
Im Limburger Marktbuch von 1770–1792 ist die Churfürstlich Gnädigste Verordnung des Wochenmarkts verzeichnet.
Da der einstmals gut besuchte Wochenmarkt zu Limburg in den letzten Jahren fast eingegangen war, erließ der Kurfürst eine Verordnung, nach der Korn, Früchte und Gemüse nur auf dem Limburger Wochenmarkt verkauft werden sollten. Um den Verkäufern die Einhaltung der Verordnung leichter zu machen, wurde auf alle angebotenen Früchte für die Dauer von 3 Jahren keine Akzis oder sonstige Marktgebühr gefordert.
Die Amtsschultheißen müssten dafür sorgen, dass an den Markttagen genug Brot und Früchte feilgeboten würden. Das gleiche gelte für Butter, Käse, Eier, Flachs, Gemüse, Obst, Hühner, Gänse, Enten, Tauben und dergleichen. Dem Marktmeister sei daher ein Verzeichnis der Händler aller Amtsorte vorzulegen, damit er bei ihrem Fernbleiben am Markttag eine Strafe von 18 Albus erheben könne. Auch sollte überlegt werden, ob man den bisherigen Sonnabend als Markttag beibehält.
Im Folgenden ist im Marktbuch die Ratsverordnung eingetragen. Demnach wurde der Wochenmarkt auf den Donnerstag verlegt. Von Seiten der Stadt wurde eine Kasse angelegt, damit die Händler, welche ihre Früchte nicht verkaufen konnten, dem Marktmeister diese zu einem mittleren Preis anbieten konnten. Alternativ könnten sie beim Marktmeister gelagert werden, damit sie am nächsten Wochenmarkt erneut angeboten werden können. Der Kornmarkt wird zum Fruchtmarkt bestimmt. Butter, Käse und Eier sind auf dem Fischmarkt anzubieten. Holz ist auf dem Platz vor dem Walderdorfer Hof, Flachs, Obst und dergleichen sind vom Brunnen an der Salzgasse bis zur Plötze zu verkaufen. Schuhe und Lederwaren sind auf dem Schuhmarkt, dem Bereich „In der Erbach“ und dem unteren Ende der Fahrgasse ausgelegt. Auf dem Kornmarkt befindet sich die Hauptwache, wo dem Marktmeister auch Streitigkeiten zu melden sind.
1774 erscheint in den Bürgermeisterrechnungen unter den Ausgaben der Salär des Herrn Ratsverwandten Weilburg als Müller und Mehlwaagen- sowie als Wochenmarktaufseher.
Als 1789 nach mehrjährigen schlechten Ernten die Fruchtpreise exorbitant stiegen, machte man hierfür den Vorkauf von Spekulanten verantwortlich, so kam es Ende August – nur fünf Wochen nach dem Sturm auf die Bastille in Paris – auch in Limburg zu einem Volksauflauf, der aber im Vergleich zu anderen Städten vergleichsweise gemäßigt verlief. Besonders unter Verdacht stand der Gräflich Leyische Keller Kraft – völlig zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Als dieser nun am Markttage des 24. August nichtsahnend über die Plötze ging, ergriff ihn die erboste und aufgebrachte Menge, wobei sich besonders die Limburger Marktweiber hervorgetan haben sollen, misshandelten ihn in gröblichster Weise und warfen ihn schließlich von der Brücke des Diezer Tores in den Stadtgraben, von wo er sich in seine Wohnung auf dem Berg und dann nach Koblenz rettete. Die Rädelsführer wurden zunächst hart bestraft, später aber alle begnadigt. Gefordert wurde u.a. die Wiedereinführung der Wochenmärkte und die Karfreitagsprozessionen, die mehr eingebracht hätten als ein Jahrmarkt.
1803 beantragte der Stadtrat bei der fürstlichen Landesregierung, ihr den zum Franziskanerkonvent gehörigen Garten an der Hauptstraße beim Kloster, wo vormals das alte Gymnasium (heute Bischofsplatz) gestanden habe, als weiteren Marktplatz für den Wochenmarkt zu überlassen.
Ab 1848 wurde, wegen häufiger Beschwerden über unrichtige Gewichte, die Butter nur noch auf der Stadtwaage gewogen. Bislang wurde 4 xr pro Pfund, je zur Hälfte von Käufer und Verkäufer an den Wochenmarkttagen bezahlt. Bürger schmuggelten aber die Butter in die Stadt um keine Akzise zu bezahlen. Ferner wurde künftig auch alles importierte Obst auf der Stadtwaage gewogen.
1872 wurden im Kreisgerichtsbezirk Limburg neue Maße und Gewichte eingeführt. Im Verzeichnis der Maße, Gewichte und sonstigen aichungspflichtigen Gegenstände wurde als neue Längenmaßeinheit das Meter
(1 Meter = 100 Zentimeter) angegeben. Für die Flächenmaße bildete das Quadratmeter die Einheit. Danach heißen 100 Quadratmeter: ein Ar, 100 Ar: ein Hektar. Die im Verkehr befindlichen Hohlmaße für Flüssigkeiten wurden ungültig, die neue Maßeinheit heißt Liter, der halbe Liter ist ein Schoppen, 100 Liter sind ein Hektoliter. Von den ehemals nassauischen Gewichtstücken wurden ¼ Zentner und das 3 Pfundstück ungültig. Das neue Gewicht ist das Kilogramm, welches aus 1000 Gramm besteht. ½ Kilogramm ist ein Pfund, 50 Kilogramm sind 100 Pfund oder ein Zentner.
1886 wurde eine neue Marktordnung eingeführt, die eine seit 1876 bestehende Regelung ablöste. Danach teilten sich die Märkte in drei Kategorien: Jahrmärkte, Fruchtmärkte und Wochenmärkte. Insgesamt gab es jährlich neun Jahrmärkte. Sechs davon galten als Kram- und Viehmärkte und drei waren reine Viehmärkte. Dabei wechselten auf dem Neumarkt 600 bis 800 Stück Großvieh und bis zu 1.000 Stück Kleinvieh den Besitzer. Der penetrante Gestank an einem solchen Tag missfiel den Neumarkt-Anwohnern jedoch sehr. So hatten sie sich „die neue Anlage“ nicht vorgestellt! An die Stadtoberen erging der Ruf, doch möglichst schnell und gründlich unmittelbar nach Marktende die obligatorische Wasserreinigung des Platzes vorzunehmen. Erst ab Juli 1899 konnte der Neumarkt zur „gestankfreien Zone“ erklärt werden: Für den Viehmarkt stand nun der neugeschaffene Marktplatz außerhalb der Stadt zur Verfügung.
1891 beschwerten sich die Geschäftsleute wegen der Verlegung des Schweinemarktes von der Grabenstraße in die Graupfortstrasse.
1892 wurde, aufgrund einer Cholera-Epidemie, der Krammarkt innerhalb der Stadt abgehalten, der Viehmarkt jedoch nach außerhalb verlegt.
Im Jahre 1919 fand im Mai ein stark besuchter Schweinemarkt statt. Für ein 8 Wochen altes Ferkel wurden 320 Mark verlangt. Die hohen Preise versetzten die Marktbesucher in eine solche Wut, dass sie kurz entschlossen den Markt stürmten und plünderten, sogar die Landwirte mit Revolvern bedrohten. Da 14 Ferkel geraubt wurden, verließen die Landwirte sofort den Markt. Der offensichtlich gut vorbereitete Gewaltstreich wurde von Plünderern durchgeführt, die allesamt nicht aus Limburg stammten.
Ab 1954 überlegte man, ob der Wochenmarkt aus der Stadt verlegt werden solle. Der Magistrat entschied am 9.9.1955, dass der Wochenmarkt auf dem Neumarkt blieb. In den folgenden Jahren wurde jedoch weiter über neue Plätze für den Wochenmarkt nachgedacht. So stand der Platz hinter dem Georgsbrunnen (1960), die Werner-Senger-Straße, der Kornmarkt und der Bischofsplatz (1970) sowie die Fußgängerzone, Kornmarkt und Plötze (1972) zur Diskussion. Ein weiteres Thema für Diskussionen sind bis heute die Verdrängung der Marktstände bei Festen auf dem Neumarkt , sowie die Sauberkeit nach den Wochenmärkten (1996) .
Angewandte Literatur
FUCHS, Johann Georg: Limburger Patriziat 1500 – 1800, Limburg 1995
HHStA Wiesbaden: Abt. 115 Kurtrier
JUNG, Monika: Limburg als Marktplatz
KLOOS, Friedel: Ein Spaziergang in die Vergangenheit, Ffm 2001
KNETSCH, Carl: Die Limburger Chronik des Johannes Mechtel, Wiesbaden 1909
METZEN, Joseph: Die Finanzverwaltung der Stadt Limburg an der Lahn 1606 – 1803
Stadtarchiv Limburg: Stadtrechnungen, Ratsprotokolle, Kreisgerichtsblätter, Marktbuch, NLZ, Nassauer Bote
STRUCK, Wolf-Heino: Die Gründung des Stifts St. Georg, NA 97, 1986